TAGEBUCH EINES WIRDZ

Es gibt Anekdoten im Leben eines Wirdz, die sind nichts besonderes, langweilig, bieder, einfältig und wenig lesenswert. Um diese will ich mich bemühen frei nach Leonard Cohen:

Ich konnte die großen Fragen meines Lebens nie beantworten, aber irgendwann haben sie sich mir auch nicht mehr gestellt.

Mit den Kindern in der Winterzeit Schuh des Manitus angeschaut: Zitat  daraus: Bösewicht zur Schönen Uschi: "Ich werde dich danach zu meiner Frau nehmen" . Uschi: "Was soll ich denn bei der?"

Beitrag zur Ausstellung PilPelz/Werner Lorke& 6/2024

Als Kind, also früher, hatten wir zuhause ein Buch, so eines mit Bildern und Text.

Sie werden sagen: Wow, der Typ hatte früher als Kind ein Buch mit Bildern und Text, das ist ja etwas ganz Tolles.
Nein natürlich - jeder hatte früher zuhause ein Buch, auch dann, wenn es nur das Telefonbuch war.
Wir hatten also ein Buch - vielleicht waren es auch 2, 3, 10 oder 100 aber daran erinnere ich mich nicht und es spielt auch keine Rolle. Natürlich könnte ich hier eine Novelle über die Anzahl unserer Bücher schreiben, aber ich habe Zweifel, ob es sie innerlich ergreifen würde, sie läutern könnte.
Also wir hatten ein Buch. Es stand, wie es häufig im Leben von Büchern ist, auf einem Regal. Dieses Regal wiederum war an einer Mauer befestigt, was auch wirklich nichts Besonderes ist.
Was schon besonders war: Es stand auf der Toilette und ich habe es gelesen.
Nein, nicht während meiner geschäftlichen Tätigkeit auf dem WC sondern danach, Jahre später.
Zu dem Zeitpunkt meiner ersten bewussten Leseübungen lass ich während der Erleichterung immer wieder den Titel. Es erschloss mir der Sinn dahinter nicht.
1000mal gelesen und 1000mal habe ich mich gefragt, wie kann ein Mensch auf Schimmel reiten. Mir war der Schimmel auf dem Käse bekannt, dagegen wusste ich vom Schimmel in Form eines Pferdes noch nichts.
Wie also sollte ich mir einen Schimmelreiter vorstellen? Reiten auf einem Lebewesen, dass weder Tier noch Pflanze ist? Wie musst der Schimmel groß sein, wenn auf ihm geritten werden will? Wie bewegt er sich fort? Kann er sich überhaupt bewegen oder ist die Bewegung so langsam, dass sie für das menschliche Auge unsichtbar bleibt.
Sie werden sich vorstellen können, dass für den kleinen, rotblonden, rundlichen Daniel Georg Schürer es kein einfaches Unterfangen war, aber er blieb dran und heute weiß er, dass der Schimmelreiter Hauke Haien eine tragische Figur in der Novelle von Theodor Storm ist, die mit Fleiß und Talent keinen Erfolg hatte.
Sie hat also gar nichts mit dem Schimmel auf dem Käse zu tun – oder doch?
…Jetzt aber kam auf dem Deiche etwas gegen mich heran; ich hörte nichts; aber immer deutlicher, wenn der halbe Mond ein karges Licht herabließ, glaubte ich eine dunkle Gestalt zu erkennen, und bald, da sie näher kam, sah ich es, sie saß auf einem Pferde, einem hochbeinigen hageren Schimmel; ein dunkler Mantel flatterte um ihre Schultern, und im Vorbeifliegen sahen mich zwei brennende Augen aus einem bleichen Antlitz an.
Wer war das? Was wollte der? - Und jetzt fiel mir bei, ich hatte keinen Hufschlag, kein Keuchen des Pferdes vernommen; und Ross und Reiter waren doch hart an mir vorbeigefahren!...





Einführung zur Ausstellung in der Kunsthalle Reusten sur Mer/5/2024

 Helikopter Helikopter

„Schau, wie sie heulen“ 
daneben ein Foto einer schwarz verschleierten Frau die herzzerreißend klagt und weint. Neben der Frau ein Plakat von Ebrahim Raisi, Irans abgestürzter und dabei zu Tode gekommener Präsident.
Helikopter, Helikopter….
Ich lese Wochenzeitungen im Papierformat, auch Tageszeitungen und finde immer wieder andere Welten, andere Geschichten, die zu gut sind um ins Altpapier zu wandern
Tagesgeschäfte und Moral haben in der Kunst wenig Raum.  Es ist zu fade, Teile des Lebens 1:1,5 abzubilden, zu beurteilen, aus der sicheren Position hinter einer Staffelei, im kleinen Atelier, am Esstisch, ständig irgendwelchen Ereignissen hinterherzurennen um sie dann zu kommentieren.
Sie wiederholen sich ohnehin, mal größer, mal kleiner, mal näher an einem dran, mal weiter von einem weg aber - es gibt Geschichten in dieser Welt, die ein wenig anders sind, die man mit Glück in Zeitungen erzählt bekommt, noch besser von Menschen erzählt bekommt. Sie handeln vom Großen, von Größen, von Macht und Ohnmacht, bleiben darin aber nicht verhangen sondern öffnen eine kleine Tür, eine kleine Tür in eine absurde, unmoralische, makabre Welt, bestenfalls für ein verstohlenes Lächeln gut.
Helikopter, Helikopter
Ebrahim Raisi ist einer dieser Menschen, den man nicht zum Feind haben sollte aber wer sich irgendwie noch bewegt, wird ihn zwangsläufig zum Feind haben, es sein denn, er/sie steht auf seiner Gehaltsliste - erst kommen die Vergünstigungen, dann die Moral.
Wer wider guten Menschenverstands ihm mutig entgegentritt, ist verehrungswürdig, für die gute Sache kämpfend, selbstlos, ein Opfer für das freie Leben.
Leider ist das Ziel dieser Menschen immer gut geschützt, schwer nahbar, von Claqueuren umringt und selten Bestandteil eines Strafprozesses.